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Urteil Versicherungsgericht (SG - MV 2017/2)

Zusammenfassung des Urteils MV 2017/2: Versicherungsgericht

A. A. meldete sich im Dezember 2014 bei der Militärversicherung an, nachdem er während eines Wiederholungskurses Schmerzen im rechten Arm und in der rechten Schulter hatte. Die Militärversicherung lehnte die Haftung für die Schulterbeschwerden ab, da sie auf frühere Schulterluxationen zurückzuführen seien. Trotzdem forderte A. A. eine Entschädigung, die jedoch abgelehnt wurde. Der Fall wurde vor Gericht verhandelt, wo die Militärversicherung in einem Entscheid vom Februar 2017 die Haftung erneut ablehnte. A. A. legte Einspruch ein, der jedoch ebenfalls abgelehnt wurde. Letztendlich wurde die Beschwerde gegen den Entscheid der Militärversicherung ebenfalls abgelehnt.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts MV 2017/2

Kanton:SG
Fallnummer:MV 2017/2
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:MV - Militärversicherung
Versicherungsgericht Entscheid MV 2017/2 vom 21.08.2018 (SG)
Datum:21.08.2018
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 5 MVG. Haftung der Militärversicherung bei einer während des Dienstes gemeldeten Gesundheitsschädigung bei ausgewiesenen vordienstlichen Schädigungen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. August 2018, MV 2017/2).
Schlagwörter: Schulter; Dienst; Dienstes; Militärversicherung; MV-act; Haftung; Einsprache; Recht; Schulterbeschwerden; Wiederholungskurs; Schulterluxation; Läsion; Ereignis; Schädigung; Rechtsvertreter; Schultergelenk; Schmerzen; Truppenarzt; Schulterluxationen; Schultergelenks; Verfügung; Einspracheverfahren; Gesundheitsschädigung; Einspracheentscheid; Leistungsbegehren
Rechtsnorm: Art. 123 ZPO ;Art. 49 ATSG ;Art. 5 MVG;Art. 6 MVG;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts MV 2017/2

Entscheid vom 21. August 2018

Besetzung

Versicherungsrichterin Miriam Lendfers (Vorsitz), Versicherungsrichterin Christiane Gallati Schneider und Versicherungsrichter Joachim Huber; Gerichtsschreiber Tobias Bolt

Geschäftsnr. MV 2017/2

Parteien

  1. ,

    Beschwerdeführer,

    vertreten durch Rechtsanwalt Christian Widmer, ADVOKATUR WIDMER, Büelstrasse 51, 9630 Wattwil,

    gegen

    Suva Militärversicherung, Laupenstrasse 11, Postfach 8715, 3001 Bern, Beschwerdegegnerin,

    Gegenstand Versicherungsleistungen Sachverhalt

    A.

    1. A. meldete sich am 19. Dezember 2014 zum Leistungsbezug bei der Militärversicherung an (MV-act. 12–12). Er gab an, er sei am 5. September 2014, in der zweiten Woche eines Wiederholungskurses, während einer Übung am Morgen mit Schmerzen im rechten Arm und in der rechten Schulter erwacht. Der Arm habe permanent – bewegungs- und positionsunabhängig – geschmerzt. Am 9. September 2014 habe er den Truppenarzt konsultiert. Nach dem Wiederholungskurs sei er bei seinem Hausarzt vorstellig geworden, da die Schmerzen weiter angehalten hätten. Am

      6. Februar 2015 forderte die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Militärversicherung zur Bezahlung von Heilbehandlungskosten über total 6’116.15 Franken auf, wobei sie geltend machte, sie habe diese Kosten im Sinne einer Vorleistung vergütet (MV-act. 12–1 ff.). Bereits am 13. Oktober 2014 hatte Dr. med.

      B. vom Spital C. berichtet (MV-act. 15), es liege ein Verdacht auf eine Labrum- Bizepssehnenläsion der rechten Schulter bei einem Status nach rezidivierenden anterioren Schulterluxationen in den Jahren 2005 und 2008 vor. Zur Klärung der Sachlage sei die Anfertigung von Röntgenbildern und eines Arthro-MRI geplant. Am 27. Oktober 2014 hatte Dr. B. berichtet (MV-act. 17), das MRI zeige eine Slap 2 Läsion, die ins anteriore Labrum übergehe, eine Bankartläsion vom Typ Perthes und eventuell eine minime PASTA-Läsion. Die Knorpelsituation sei unauffällig. Soweit beurteilbar sei die Rotatorenmanschette nicht beteiligt. Die Schulter müsse arthroskopisch revidiert

      werden. Am 11. November 2014 war der Versicherte ambulant arthroskopisch operiert worden. Im Operationsbericht vom 19. November 2014 (MV-act. 16) hatte Dr. B. als Diagnose eine anteriore Schulterinstabilität bei einer Bankartläsion (ALPSA) der rechten Schulter bei rezidivierenden anterioren Schulterluxationen rechts in den Jahren 2005 und 2008 sowie – als „letztes Ereignis“ – eines vom am 8. September 2014 genannt. Am 19. Dezember 2014 hatte Dr. B. über einen regulären stabilen Verlauf in den ersten sechs Wochen nach dem arthroskopischen Eingriff berichtet (MV-act. 19). Am

      16. Januar 2015 hatte Dr. B. bei einem weiterhin stabilen Verlauf ohne Besonderheiten und bei einem noch abschliessenden physiotherapeutischen Aufbau für die Zeit ab dem 19. Januar 2015 wieder eine vollständige Arbeitsfähigkeit attestiert (MV-act. 20).

    2. Am 10. Februar 2015 nahm die Militärversicherung einen Auszug der sanitarischen Akten des Militärs betreffend den Versicherten zu ihren Akten (MV-act. 21). Diesen liess sich folgendes entnehmen: Der Versicherte hatte in einem ärztlichen Zeugnis zum Antritt einer Tätigkeit als Zeitmilitär per 1. Juni 2009 angegeben, dass er im Jahr 2003 eine Verletzung an der rechten Schulter erlitten habe, die geheilt sei; die Schulter sei

      „angeknackst“ gewesen; ein Truppenarzt hatte am 11. August 2008 notiert, der Versicherte habe ab dem 31. Juli nach einer Übernachtung in einer Hängematte Schmerzen in der rechten Schulter angegeben, die in den folgenden Tagen stetig zugenommen hätten, der klinische Befund sei aber unauffällig gewesen; der orthopädische Chirurg Dr. med. D. hatte am 19. August 2008 berichtet, es bestehe der Verdacht auf eine Nervenkompression des rechten Armplexus; der Verlauf sei erfreulich, weshalb eine weitere Abklärung nicht notwendig sei. Ein Aussendienstmitarbeiter der Militärversicherung berichtete am 26. Februar 2015 (MV- act. 29), der Versicherte habe angegeben, dass er im Jahr 2003 beim Snowboardfahren auf die rechte Schulter gestürzt sei. Ein Röntgenbild habe eine Knochenabsplitterung gezeigt. Der Arm sei bandagiert worden. Nach einigen Wochen, höchstens nach einem halben Jahr sei der Versicherte wieder beschwerdefrei gewesen. Im Jahr 2005 habe er sich den rechten Arm auf einer Wasserrutsche heftig angeschlagen. Dabei habe er möglicherweise eine Subluxation der rechten Schulter erlitten: „Halb raus und sofort selber wieder rein“. Der Zustand sei „ziemlich schnell wieder gut“ gewesen. Im Jahr 2008 habe er nach einer Übernachtung in einer Hängematte Schmerzen und ein „komisches Gefühl“ im rechten Arm verspürt. Ein

      Neurologe habe ihm gesagt, dass die Nervenenden abgedrückt seien. In den Wochen darauf habe sich der Zustand langsam, aber kontinuierlich verbessert. Er habe den Militärdienst normal beendet. Im Wiederholungskurs, den er als Kompaniekommandant vom 28. August 2014 bis zum 12. September 2014 absolviert habe, habe wohl die grosse ständige Belastung (Kampfausrüstung komplett, Splitterschutzweste, Schlafen auf dem Feld, häufiges An- und Ausziehen der schweren Ausrüstung) zu Schmerzen im rechten Arm geführt. Der Truppenarzt habe ihm eine entzündungshemmende Salbe abgegeben und ihm geraten, sich nachdienstlich beim Hausarzt zu melden, falls die Schmerzen anhalten sollten. Am 2. März 2015 berichtete Dr. med. E. (MV-act. 35), der Versicherte sei im März 2003 auf die rechte Schulter gestürzt. Radiologisch habe ein Verdacht auf einen Ausriss des Tuberculum majus bestanden. Die Beschwerden seien symptomatisch behandelt worden. Im August 2005 sei es zu einer Spontanluxation der rechten Schulter mit anschliessender spontaner Reposition gekommen. Die Behandlung sei am 5. September 2005 abgeschlossen worden. Vom Ereignis im Jahr 2008 habe er, Dr. E. , erst im Jahr 2014 Kenntnis erlangt. Am 31. März 2015 teilte Dr. med. F. der Militärversicherung mit (MV-act. 38), er habe den Versicherten während des Wiederholungskurses kurz getroffen. Dieser habe über Schulterbeschwerden geklagt, „wahrscheinlich im Rahmen des Tragens der Schutzweste“, und „eine im Rahmen der WK-Möglichkeiten mögliche konservative Therapie mit NSAR-Crème erhalten“. Der Kreisarzt Dr. med. G. notierte am 21. April 2015 (MV-act. 46), die radiologisch nachgewiesene nicht dislozierte Fraktur des Tuberculum majus belege, dass der Versicherte bei seinem Sturz im März 2003 eine Schulterluxation erlitten habe. Die durch dieses erste Ereignis verursachte Schädigung des ventralen Schultergelenks im Bereich des Labrum glenoidale und der damit verbundenen strukturellen Destabilisierung habe eine erneute Schulterluxation im Jahr 2005 begünstigt. Die Beschwerden, die an der rechten Schulter und am rechten Arm im Rahmen einer fraglichen Druckneuropathie im Jahr 2008 aufgetreten seien, hätten nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der traumatischen Vorschädigung gestanden. Es sei davon auszugehen, dass die Folgen der Druckschädigung wieder vollständig abgeheilt seien. Während des Wiederholungskurses im Jahr 2014 seien keinerlei traumatisch auf die rechte Schulter einwirkenden Ereignisse dokumentiert. Es sei lediglich im Rahmen einer vermehrten Belastung eine Beschwerdesymptomatik aufgetreten. Diese Verschlimmerung des posttraumatischen Vorzustandes mit einer

      anterioren Schulterinstabilität rechts während des Militärdienstes sei wohl noch vor der operativen Behandlung der rechten Schulter wieder behoben gewesen. Die kernspintomographisch am 7. Oktober 2004 (recte: 2014) diagnostizierte posttraumatische Schädigung des rechten Schultergelenks stehe nicht überwiegend wahrscheinlich in einem kausalen Zusammenhang mit dem Wiederholungskurs, sondern sei klar eine Spätfolge der vordienstlichen Luxationsereignisse des rechten Schultergelenks, insbesondere der Erstluxation anlässlich des Snowboardsturzes im Jahr 2003.

    3. Am 21. April 2015 teilte die Militärversicherung dem Versicherten mit (MV-act. 47), dass sie keine Haftung für die Schulterbeschwerden rechts anerkenne. Zur Begründung führte sie an, diese seien gemäss der kreisärztlichen Stellungnahme von Dr. G. nicht überwiegend wahrscheinlich während des Wiederholungskurses verursacht worden, weshalb die Voraussetzungen für eine Haftung der Militärversicherung bei einer nachdienstlichen Meldung (Art. 6 MVG) nicht erfüllt seien. Falls der Versicherte damit nicht einverstanden sei, könne er die Eröffnung einer rechtsmittelfähigen Verfügung verlangen. Dagegen wandte der Versicherte am 28. April 2015 ein (MV-act. 48), die Militärversicherung habe offenbar übersehen, dass er bereits im Jahr 2008 während eines Militärdienstes an der Schulter habe behandelt werden müssen. Er könne auch nichts dafür, dass Dr. F. kein Protokoll seiner Behandlung während des Wiederholungskurses erstellt habe. Seine Schulterbeschwerden könne der Versicherte sich nur anhand des Umstands erklären, dass er während des Wiederholungskurses sieben Tage lang auf einem harten Betonboden habe schlafen müssen. Im Zivilleben verrichte er nämlich schon seit Jahren eine körperlich stark belastende Tätigkeit, er sei aber trotzdem stets beschwerdefrei gewesen. Auch seine bisherigen 500 Diensttage habe er trotz der hohen körperlichen Belastung ohne weitere Probleme an der Schulter absolvieren können. Am 6. Mai 2015 liess der nun durch einen Juristen vertretene Versicherte den Erlass einer anfechtbaren Verfügung verlangen (MV-act. 59). Mit einer Verfügung vom 7. Mai 2015 lehnte die Militärversicherung ihre Haftung für die Schulterbeschwerden ab (MV-act. 60).

B.

    1. Am 28. Mai 2015 liess der Versicherte eine Einsprache gegen die Verfügung vom

      7. Mai 2015 erheben (MV-act. 61). Sein Vertreter beantragte die Aufhebung der Verfügung, die Anerkennung der Haftung der Militärversicherung für die während des Dienstes gemeldeten Schulterbeschwerden sowie eventualiter die Anerkennung der Haftung der Militärversicherung für die eingetretene Verschlimmerung. Zur Begründung führte er an, der Versicherte sei beschwerdefrei in den Wiederholungskurs eingetreten. Der letzte „Vorfall“ habe zum damaligen Zeitpunkt bereits über sechs Jahre zurückgelegen. Die Meldung der Schulterbeschwerden sei noch während des Dienstes und nicht erst nachdienstlich erfolgt. Die Haftung der Militärversicherung beurteile sich folglich nicht anhand des Art. 6 MVG, sondern gemäss dem Art. 5 MVG.

    2. Am 5. August 2016 beantragte der zwischenzeitlich als Rechtsanwalt im Anwaltsregister des Kantons St. Gallen eingetragene Rechtsvertreter des Versicherten die Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das Einspracheverfahren (MV-act. 67). Am 14. Februar 2017 reichte er eine Honorarnote über 3’080.50 Franken

      ein (MV-act. 71).

    3. Mit einem Entscheid vom 14. Februar 2017 wies die Militärversicherung die Einsprache ab (MV-act. 74). Sie bewilligte aber die unentgeltliche Rechtsverbeiständung für die Zeit ab der Aufnahme des Rechtsvertreters ins Anwaltsregister, das heisst ab dem 30. Juni 2016. Zur Begründung führte sie an, aus den Akten gehe mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit hervor, dass der Versicherte seine Schulterbeschwerden tatsächlich während des Dienstes gemeldet habe. Folglich bestimme sich die Haftung der Militärversicherung nach den Regeln des Art. 5 MVG. Der Versicherte habe das An- und Ausziehen sowie das Tragen einer Splitterschutzweste beziehungsweise der Kampfausrüstung und das Schlafen auf dem Feld für die Schulterbeschwerden verantwortlich gemacht. Dabei handle es sich aber um normale Belastungen des Dienstes, denen sämtliche übrigen Dienstleistenden ebenfalls unterworfen gewesen seien. Ein die Schulterbeschwerden auslösendes traumatisches Ereignis während des Dienstes sei jedenfalls weder geltend gemacht worden noch ausgewiesen. Gleichzeitig stehe medizinisch fest, dass die rechte Schulter bereits vor dem Dienst infolge zweier Luxationen massiv geschädigt gewesen sei. Dementsprechend habe das Arthro-MRI vom 7. Oktober 2014 eine kleine, flache, ausdrücklich als alt deklarierte Hill-Sachs-

Delle, eine minimale labrale Bankart-Läsion loco classico, Reizungen beziehungsweise Kontusionen des Rotatorenintervalls sowie eine AC-Gelenksarthrose mit einem Erguss im AC-Gelenk gezeigt. Eine Hill-Sachs-Delle sei ein typisches Symptom einer ausgerenkten Schulter; eine Bankart-Läsion sei ebenfalls eine typische Folge bei einer vorderen Schultergelenksluxation. Nach der medizinischen Erfahrung seien die entsprechenden Beschwerden folglich auf die vordienstlichen Schulterluxationen zurückzuführen, wie Dr. G. überzeugend aufgezeigt habe. Die Indikation für die arthroskopische Operation habe die anteriore Schulterinstabilität bei einer Bankart- Läsion gebildet, weshalb die Operation der Behebung der vordienstlich verursachten traumatischen Schulterschädigungen gedient habe. Dabei habe die ungünstige Beeinflussung der vordienstlichen Gesundheitsschädigung keine Rolle mehr gespielt.

C.

    1. Am 20. März 2017 liess der Versicherte (nachfolgend: der Beschwerdeführer) eine Beschwerde gegen den Einspracheentscheid vom 14. Februar 2017 erheben (act. G 1). Sein Rechtsvertreter beantragte die Aufhebung des angefochtenen Einspracheentscheides und die Anerkennung der Haftung der Militärversicherung für die während des Dienstes gemeldeten Schulterbeschwerden sowie eventualiter die Anerkennung der Haftung der Militärversicherung für die eingetretene Verschlimmerung. Zur Begründung führte er an, die Militärversicherung (nachfolgend: die Beschwerdegegnerin) habe im angefochtenen Einspracheentscheid anerkannt, dass sich die Haftung nach dem Art. 5 MVG richte. Für eine Haftungsbefreiung müsse folglich der volle Beweis erbracht werden, dass die Gesundheitsschädigung nicht während des Dienstes eingetreten sei und dass sie sich auch nicht während des Dienstes verschlimmert habe. Die fehlende Dokumentation des Truppenarztes dürfe dem Beschwerdeführer nicht zum Nachteil gereichen. Aus der nachträglichen Stellungnahme des Truppenarztes gehe immerhin hervor, dass der Körper des Beschwerdeführers während des Dienstes überbeansprucht worden sei. Mit anderen Worten habe ein gesteigertes Schädigungspotential vorgelegen. Der Kreisarzt Dr. G. habe sich zur entscheidenden Frage, weshalb der Beschwerdeführer bis zum Dienst über Jahre hinweg beschwerdefrei gewesen sei und erst im Wiederholungskurs wieder Schmerzen verspürt habe, nicht geäussert. Die Schlussfolgerung des Kreisarztes, die Verschlimmerung des posttraumatischen Vorzustandes sei noch vor der operativen

      Behandlung wieder behoben gewesen, könne nicht nachvollzogen werden. Die Beschwerdegegnerin treffe mindestens eine sogenannte Verschlimmerungshaftung.

    2. Am 28. März 2017 bewilligte der verfahrensleitende Richter die unentgeltliche Rechtsverbeiständung (act. G 3).

    3. Die Beschwerdegegnerin beantragte am 4. Mai 2017 die Abweisung der Beschwerde, soweit überhaupt darauf eingetreten werden könne (act. G 4). Zur Begründung führte sie aus, den Gegenstand des mit dem angefochtenen Entscheid abgeschlossenen Einspracheverfahrens habe die Ablehnung der Leistungspflicht für die rechtsseitigen Schulterbeschwerden gebildet. Konkrete Leistungsbegehren hätten nicht zum Gegenstand des Einspracheverfahrens gehört, weshalb auf die entsprechenden Ausführungen in der Beschwerde nicht eingetreten werden könne. In materieller Hinsicht sei darauf hinzuweisen, dass die Beschwerden während des Dienstes nicht so stark gewesen sein könnten, wie der Beschwerdeführer heute glauben machen wolle. Sonst hätte der Truppenarzt nicht lediglich eine Salbe abgegeben. Der Beschwerdeführer habe den Dienst dann ja auch ganz normal zu Ende führen können. Während des Dienstes sei kein traumatisches Ereignis eingetreten. Zur Diskussion stünden folglich nur belastungsabhängige Schulterschmerzen. „Allseits anerkannt und unbestritten“ sei zudem, dass der Beschwerdeführer in den Jahren 2003 und 2005 zwei Luxationen an der rechten Schulter erlitten habe. Die bildgebend im Oktober 2014 nachgewiesenen intraartikulären Verletzungen könnten nicht auf ein während des Dienstes eingetretenes Ereignis zurückgeführt werden, sondern stünden im Zusammenhang mit den früheren Schulterluxationen. Dasselbe gelte auch für die im November 2014 intraoperativ erhobenen Befunde. Nach der medizinischen Erfahrung seien die Hill-Sachs-Läsion, die labrale Bankart-Läsion und die AC-Gelenksarthrose sicher Folgen der beiden vordienstlichen Schulterluxationen. Die Indikation für die arthroskopische Stabilisationsoperation am 11. November 2014 habe ausschliesslich die anteriore Schulterinstabilität bei einer Bankart-Läsion gebildet.

    4. Der Beschwerdeführer liess am 10. Juli 2017 an seinen Anträgen festhalten (act. G 10). Gleichentags reichte sein Rechtsvertreter eine Honorarnote ein (act. G 11). Die Beschwerdegegnerin hielt am 14. September 2017 ebenfalls an ihrem Antrag fest (act. G 13).

Erwägungen

1.

Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass konkrete Leistungsbegehren nicht zum Gegenstand des mit dem angefochtenen Einspracheentscheid abgeschlossenen Verfahrens gehört hätten, weshalb auf die entsprechenden Beschwerdeanträge nicht eingetreten werden dürfe. Diese Ansicht ist unzutreffend, denn der Gegenstand des mit der Verfügung vom 7. Mai 2015 abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens und damit auch des mit dem angefochtenen Einspracheentscheid vom 14. Februar 2017 abgeschlossenen Einspracheverfahrens ist durch das Leistungsbegehren des Beschwerdeführers definiert gewesen, das augenscheinlich und zu Recht nicht bloss auf eine Feststellung betreffend die Haftungsfrage, sondern vielmehr auf konkrete Leistungen der Beschwerdegegnerin abgezielt hat. Folglich hat das Verwaltungsverfahren (respektive das Einspracheverfahren) mit einer rechtsgestaltenden Verfügung enden müssen; mit einer blossen Feststellungsverfügung im Sinne des Art. 49 Abs. 2 ATSG hätte die Beschwerdegegnerin das Leistungsbegehren nicht definitiv erledigen können. Im angefochtenen Einspracheentscheid hat sich die Beschwerdegegnerin zwar nur zur Haftungsfrage geäussert, was an sich typisch für eine sich nur auf ein einzelnes Tatbestandselement konzentrierende Feststellung ist, aber sie hat keine blosse Feststellungsverfügung erlassen wollen. Sie ist nämlich überzeugt gewesen, dass sie keine Haftung treffe, weshalb sie das Leistungsbegehren bereits aus diesem Grund rechtsgestaltend abweisen könne. Die (rechtsgestaltende) Abweisung eines Leistungsbegehrens ist bereits möglich, wenn nur schon eines der kumulativ zu erfüllenden Tatbestandselemente nicht erfüllt ist. Sie setzt deshalb (anders als eine Gutheissung) keine umfassende Prüfung sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen voraus. Dass sich die Beschwerdegegnerin auf die Haftungsfrage beschränken konnte, liegt im Ergebnis – der Verneinung einer Haftung – begründet. Die Prüfung der weiteren Tatbestandselemente ist aus verwaltungsökonomischen Gründen unterblieben. Dadurch ist der Entscheid jedoch nicht zu einem Feststellungsentscheid im juristischen Sinn geworden. Die konkreten Leistungsbegehren des Beschwerdeführers, auf die dessen Anmeldung zum Leistungsbezug abgezielt hat, haben also sowohl zum Verwaltungs- als auch zum Einspracheverfahren gehört, weshalb sie auch zum

Beschwerdeverfahren gehören müssen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerin sind sämtliche Beschwerdeanträge vom Gegenstand des Beschwerdeverfahrens erfasst, weshalb vollumfänglich auf die Beschwerde einzutreten ist (vgl. zum Ganzen auch den Entscheid MV 2017/1 des St. Galler Versicherungsgerichtes vom 25. Mai 2018, E. 1).

2.

    1. Die Haftungsfrage ist gestützt auf den Art. 5 MVG zu beantworten, da der Beschwerdeführer seine Schulterbeschwerden noch während des Dienstes gemeldet hat, was die Beschwerdegegnerin nicht mehr bestreitet. Gemäss dem Art. 5 Abs. 1 MVG gilt dabei der Grundsatz, dass die Militärversicherung für jede Gesundheitsschädigung, die während des Dienstes in Erscheinung tritt und gemeldet sonstwie festgestellt wird, haftet. Der Art. 5 Abs. 2 MVG nennt allerdings Voraussetzungen, unter denen dieser Grundsatz nicht zur Anwendung gelangt respektive unter denen sich die Militärversicherung aus ihrer grundsätzlichen Haftung für jede während eines Dienstes in Erscheinung getretene und gemeldete Gesundheitsschädigung befreien kann. Demnach haftet die Militärversicherung (ausnahmsweise) nicht, wenn die Gesundheitsschädigung sicher vordienstlich entstanden ist sicher nicht während des Dienstes verursacht werden konnte und wenn sich die Gesundheitsschädigung sicher während des Dienstes weder verschlimmert hat noch in ihrem Ablauf beschleunigt worden ist. Mit anderen Worten haftet die Militärversicherung für eine während des Dienstes in Erscheinung getretene und gemeldete Gesundheitsschädigung nur dann nicht, wenn mit an Sicherheit grenzender – und nicht nur mit überwiegender – Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Dienst in keiner Weise für die Gesundheitsbeeinträchtigung mitverantwortlich ist.

    2. Gemäss der insofern überzeugenden Zusammenfassung und Würdigung der medizinischen Akten durch den Kreisarzt Dr. G. vom 21. April 2015 hatte der Beschwerdeführer im März 2003 eine Schulterluxation erlitten, wobei das ventrale Schultergelenk im Bereich des Labrum glenoidale beschädigt und strukturell destabilisiert worden war, was in der Folge eine erneute Schulterluxation begünstigt hat, zu der es dann im Jahr 2005 auch tatsächlich gekommen ist. Während des Dienstes im Jahr 2014 ist der Beschwerdeführer zwar verhältnismässig schweren

körperlichen Belastungen ausgesetzt gewesen: Offenbar hat er oft schwere Lasten tragen und mehrere Male auf einem harten Untergrund übernachten müssen. Ein traumatisches Ereignis, bei dem die (vorgeschädigte) rechte Schulter tangiert worden wäre, ist aber weder in den Akten dokumentiert noch vom Beschwerdeführer behauptet worden. Der Beschwerdeführer hat den Dienst nach der Verabreichung eines nicht steroidalen Antirheumatikums durch den Truppenarzt ohne Einschränkungen zu Ende führen können. Nach dem Dienst ist im Oktober 2014 kernspintomographisch eine posttraumatische Schädigung des rechten Schultergelenks festgestellt worden, nämlich eine „kleine, alte flache Hill-Sachs-Delle und minimale labrale Bankart-Läsion loco classico nach rezidivierenden Schulterluxationen“ (MV-act. 26). Zwar hat das MRI auch Reizungen und Kontusionen des Rotatorenintervalls und einen kleinvolumigen Erguss im AC-Gelenk sowie eine leicht aktivierte beziehungsweise traumatisierte AC-Arthrose gezeigt, was aus der Sicht eines medizinischen Laien nicht eindeutig als eine Folge der vordienstlichen Schulterluxationen zu qualifizieren ist, sondern auch die Folge einer übermässigen Belastung während des Dienstes sein könnte. Aber die im November 2014 durchgeführte arthroskopische Operation hat nicht der Behebung dieser Nebenbefunde, sondern vielmehr der Stabilisierung des Schultergelenks gedient, das als Folge der Bankartläsion instabil geworden war (vgl. MV-act. 16). In einem weiteren MRI im Dezember 2014 ist der klinische Befund rund sechs Wochen nach der Operation als unauffällig beurteilt worden (MV-act. 27). Selbst wenn also im MRI vom Oktober 2014 tatsächlich auch eine dienstliche Schädigung festgestellt worden wäre, wäre diese im Dezember 2014 bereits wieder folgenlos abgeheilt gewesen, ohne dass sie operativ behandelt worden wäre. Auch wenn eine gewisse Unsicherheit darüber besteht, ob allfällige zusätzliche, mit dem Dienst im September 2014 in einem Zusammenhang stehende Beschwerden tatsächlich bereits vor der Operation im November 2014 wieder abgeheilt gewesen sind, wie der Kreisarzt Dr. G. geltend gemacht hat, so steht doch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass die während des Dienstes aufgetretene Beschwerdesymptomatik, soweit sie nicht eine Folge der vordienstlichen Schädigungen des Schultergelenks gewesen ist, jedenfalls im Dezember 2014 wieder behoben gewesen ist. Vor diesem Hintergrund steht mit dem erforderlichen Beweisgrad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass sich die Behandlung nach dem Dienst im Jahr 2014 ausschliesslich auf die

vordienstliche Schädigung bezogen hat, dass diese vordienstliche Schädigung während des Dienstes nicht wesentlich verschlimmert worden ist und dass eine mögliche, aber unwahrscheinliche, während des Dienstes aufgetretene minime Verschlimmerung des Vorzustandes allerspätestens im Dezember 2014 wieder komplett verheilt gewesen ist, ohne dass sie hätte behandelt werden müssen. Damit sind die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 MVG erfüllt, weshalb sich der angefochtene Einspracheentscheid im Ergebnis als rechtmässig erweist.

3.

Die Beschwerde ist folglich abzuweisen. Gerichtskosten sind keine zu erheben (Art. 61 lit. a ATSG). Der unterliegende Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Zufolge der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung hat der Staat aber 80 Prozent des Aufwandes seines Rechtsvertreters zu entschädigen (Art. 31 Abs. 3 AnwG). Das vom Rechtsvertreter geltend gemachte Honorar von 3’050 Franken (bereits um einen Fünftel herabgesetzt; act. G 11) ist als übersetzt zu qualifizieren, denn der Vertretungsaufwand ist vorliegend angesichts des geringen Aktenumfangs und der umfassenden Fallkenntnis des Rechtsvertreters aus dem Einspracheverfahren als insgesamt leicht unterdurchschnittlich zu qualifizieren. Die Entschädigung wird deshalb auf 80 Prozent von 3’000 Franken, das heisst auf 2’400 Franken (einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzt. Sollten es seine wirtschaftlichen Verhältnisse dereinst gestatten, wird der Beschwerdeführer zur Rückerstattung dieser Entschädigung verpflichtet werden können (Art. 99 Abs. 2 VRP i.V.m. Art. 123 ZPO).

Entscheid

im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP

1.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.

Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.

Der Staat hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit 2’400 Franken

(einschliesslich Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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